COLEO

Gemeinschaft für Coleopterologie e. V.


Bericht zur Usedom-Exkursion von COLEO e.V. im Jahr 2023

 


Johannes Sander (Bonn)

 


Die Insel Usedom wird seit 2013 alljährlich von COLEO e.V. auf ihre Käfer- und Wanzenfauna untersucht. Dabei sind bereits einige bemerkenswerte Funde zusammengekommen. Bedingt durch die Corona Pandemie kam es von 2020 bis 2022 zu einer Pause in der Bearbeitung der Usedomer Entomofauna. Umso größer war die Freude, dass es in diesem Jahr wieder eine Usedom-Exkursion geben sollte. Die Mitglieder waren vom 15. bis zum 24. Mai eingeladen

 

 


 

Sonntag – 14.05.2023

 

 

Der Verfasser begann die Fahrt in den Norden bereits in der Nacht auf den 14. Mai. Pünktlich um halb Drei startete man in Richtung Usedom. Dank der nachtschlafenden Zeit erfolgte die Fahrt ohne Staus, sodass um ca. 10:30 Uhr das erste Etappenziel der Reise erreicht war. Da der Verfasser neben der Käferliebe auch ornithologisches Interesse pflegt, sollte noch auf eigene Faust das Vogelschutzgebiet „Johannishofer Wiesen“ am Peenetal erkundet werden, bevor es auf die Insel ging (Abb. 1).

 

Abb. 1 Blick in das Vogelschutzgebiet „Johannishofer Wiesen“ vor Usedom.  

Das Gebiet ist für Brutvorkommen der in Deutschland extrem seltenen Weißbart-Seeschwalbe (Chlidonias hybrida, vgl. Abb. 2) und der vom Aussterben bedrohten Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger) bekannt. Vom Parkplatz an der B110 führt ein langer Weg, der bald rechts und links von Schilf gesäumt ist, bis zu den großen Wasserflächen, auf denen zahlreiche Wasservögel beobachtet werden konnten. Ein weiterer Ornithologe war ebenfalls anwesend. und man kam schnell ins Gespräch über die Bestimmung der rotschnäbeligen Sterna-Seeschwalben, während bald schon die ersten Weißbart-Seeschwalben mit ihren charakteristischen „zrik“-Rufen über die Köpfe der Beobachtenden hinweg jagten. Auch jagende Trauerseeschwalben wurden schnell entdeckt und nebenbei auch noch zahlreiche weitere interessante Arten, wie etwa die Zwergmöwe (Hydrocoloeus minutus), der Kampfläufer (Calidris pugnax) oder die Flussseeschwalbe (Sterna hirundo). Das Treiben auf dem Wasser wurde aus einiger Entfernung von einem Seeadler (Haliaeetus albicilla) beäugt. 

Abb. 2 Weißbart-Seeschwalbe (Chlidonias hybrida).


Bei all dem Vogelreichtum wurde dennoch auch die Entomologie nicht vernachlässigt. So konnte man sich am Schilf bald über den ersten Fund von freuen. An den Schilfrändern waren die  Große Pechlibelle (Ischnura elegans) und das Große Granatauge (Erytrhomma najas) zu beobachten. Der Vierfleck (Libellula quadrimaculata) konnte, wenn auch anfangs noch sehr scheu, letztendlich dann auch abgelichtet werden (Abb. 3). 

Abb. 3 Männchlicher Vierfleck (Libellula quadrimaculata).

Bei der Libellen- und Käfersuche ließ sich eine Ringelnatter (Natrix natrix) aus der Nähe beobachten, während sie zwischen den zahlreichen balzenden Wasserfröschen hindurchschwamm und bald im Schilf verschwand. Nach der erfolgreichen Tour im Vogelschutzgebiet ging es direkt weiter zum Naturschutzgebiet an der Gnitz auf Usedom. Dort sollte noch ein weiteres avifaunistisches Highlight gesucht werden, bevor sich dann für den Rest der Reise alles um die Käfer- und Wanzenwelt drehen sollte. Das besagte Naturschutzgebiet bietet eine abwechslungsreiche, magere Offenlandschaft mit Büschen und Hecken, in der sich Arten wie die Grauammer (Emberiza calandra), der Neuntöter (Lanius collurio) und die vom Verfassern gesuchte Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) heimisch fühlen. Alle drei Arten konnte nach kurzer Suche auf nahezu denselben Büschen ausgiebig bestaunt und fotografiert werden. Anschließend machte man sich auf, um das Appartement zu beziehen, Einkäufe zu erledigen und den Tag (aufgrund der langen Fahrt) recht früh ausklingen zu lassen.

 

Abb. 4 Männchen der Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) im NSG Gnitz.

Montag – 15.05.2023
Der Montag hielt überwiegend bewölktes und windiges Wetter bereit. Gegen 11 Uhr machte sich der Verfasser – nach wie vor allein, da der Rest der Exkursionsgruppe erst am Abend anreisen sollten – auf zum „Großen See“ zwischen Mölschow und Trassenheide, um die Käferfauna Usedoms außerhalb der zahlreichen Schutzgebiete unter die Lupe zu nehmen. Von Süden nach
Trassenheide kommend, befindet sich direkt am Ortseingang linker Hand ein sandiger Parkplatz mit einem Weg, der zum See führt, auf dem die Exkursion begann (Abb. 5). In den ungemähten Wegrändern wurde ausgiebig gekeschert, wobei Notoxus monoceros allgegenwärtig war. Ein direkter Zugang zum See wurde leider nicht entdeckt, da dieser vollständig mit Schilf umwachsen schien. Rund um den Schilfgürtel wurden jedoch auch einige sehr feuchte, seggenreiche Wiesen besammelt, welche verschiedene Bembidien beherbergten.

Abb. 5 Weg zum „Großen See“ bei Trassenheide

 

Mit Einsetzen erster Regenschauer, machte man sich auf den Weg zurück zum Auto, um dann weiter Richtung Neuendorf zu fahren. Vor der Ortschaft befindet sich ein Waldstück, welches ebenfalls noch besammelt werden sollte. Aus nördlicher Richtung kommend, wurde das Auto auf dem ersten Parkplatz in der Kurve abgestellt und zunächst der östliche Teil des Waldes begangen. Der Regen hatte inzwischen aufgehört. Beim Klopfen der üppigen Vegetation kamen zahlreiche Curculioniden und Elateriden zum Vorschein. Auch ein Schizotus pectinicornis fand sich auf einer Buche. An etlichen vertrockneten Ästen der Clematis vitalba wurden Latridiiden gefunden. Das Durchsieben größerer Mengen vertrockneten Farns brachte weitere Elateriden. Nach etwa eineinhalb Stunden widmete man sich noch dem westlichen Waldteil. Dort konnte unter Eichenrinde ein Individuum von Opilo mollis gefunden werden. Gegen frühen Abend ging es schließlich zurück in die Unterkunft. In der Zwischenzeit war auch der Rest der Exkursionsgruppe angekommen und man verständigte sich per Mail auf einen Exkursionsort und Treffpunkt für den kommenden Tag.

Abb. 6 Blick in den Wald bei Neuendorf

Dienstag - 16.05.2023
Für den Dienstag hatte man sich auf das NSG Gnitz als erstes gemeinsames Exkursionsziel verständigt. Bevor man sich dort um 11:30 Uhr treffen sollte, stattete der Verfasser bereits morgens einer weiteren Stelle auf dem Weg nach Lütow einen Besuch ab. Östlich von Neuendorf liegt im Achterwasser die Halbinsel Görmitz. Auf der Usedomer Seite findet sich auf Höhe dieser Insel ein kurzer Sandstrandabschnitt mit dahintergelegenen Feuchtwiesen und vorgelagerten Schilfbereichen. Vor Ort wimmelte es von Agelastica alni. Auch Kleidocerys resedae wude in Massen gefunden. An dem strukturreichen Strand fanden sich außerdem zahlreiche kleine bis mittelgroße Carabiden, mindestens eine Paederus-Art und einige weitere kleine bis sehr kleine Staphyliniden.


Abb. 7 Hans-Joachim und Michaela auf dem Weg in das NSG Gnitz

 

Im Anschluss traf man sich pünktlich um 11:30 Uhr an der Unterkunft von Hans-Joachim und Michaela Grunwald in Lütow, um von dort in das NSG Gnitz zu starten. Bereits auf dem Weg zum Naturschutzgebiet wurde am Wegrand fleißig gesiebt und geklopft, sodass schon vor Erreichen des eigentlichen Exkursionsziels die ersten Käfer entdeckt wurden (Abb. 7). Im Gebiet wurden zunächst einige Fallen ausgebracht und ein kleiner Haufen mit Grasschnitt durchsiebt, was nicht nur zahlreiche Carabiden, sondern auch eine verdutzte Mauereidechse zum Vorschein brachte, die jedoch schnell wieder in ihr ursprüngliches Heim zurückkehren durfte. Beim Weitergehen wurde ausgiebig an Weißdorn geklopft, wobei Tatianaerhynchites aequatus in Serie gefangen wurde. An einem Zugang zum Achterwasser wurden am schlammigen Ufer mindestens zwei Elaphrus-Arten und andere Carabiden entdeckt. Der weitere Weg war immer wieder von größeren Beständen des Krausen Ampfers (Rumex crispus) gesäumt, was Hans-Joachim zum Hinweis veranlasste, dass an dieser und verwandten Pflanzen Apion frumentarium gefangen werden kann, was er durch den Fund zweier Tiere sogleich unter Beweis stellte. Am Ufer des Achterwassers schwärmte man aus, sodass Michaela und Hans-Joachim am Strand bereits auf Dyschirien – Suche lagen, während der Verfasser noch in der Nähe liegendes Totholz untersuchte, wobei ein Pogonocherus sowie ein Exemplar des Hololepta plana gefunden wurden. 

Abb. 8 An den Ufern des Achterwassers im NSG Gnitz waren unter anderem Elaphrus riparius und Hydrometra stagnorum zu finden

Gemeinsam streifte man schließlich weiter den Strand entlang, konnte jedoch auch mit vereinten Kräften nur einen einzigen Dyschirius finden ( Abb. 9; das zufällig gesammelte Tier fiel allerdings erst am Abend beim Sortieren der Proben auf). Bevor man sich auf den Rückweg machte, wurde noch eine Ansammlung liegenden Totholzes untersucht, wobei Michaela eine neue Histeriden-Art für die Usedom-Liste entdecken konnte, während Hans-Joachim und der Verfasser ein weiteres Mal Reptilien statt Käfer fanden, diesmal in Form einer Blindschleiche (Anguis fragilis).

Abb. 9 Hans-Joachim und der Verfasser auf der Suche nach Dyschirien.

Zufrieden und mit gefüllten Sammelgläsern machte man sich auf den Rückweg. Anschließend traf man sich gegen 20 Uhr noch einmal in Lütow. Man wollte jedoch nicht nur den Abend in geselliger Runde ausklingen lassen, sondern vielmehr auch die brandneue, vereinseigene Leuchtanlage einweihen. Sobald es dunkel genug war, wurde diese (mit einigen Startschwierigkeiten) von Hans-Joachim und dem Verfasser im Garten der Unterkunft mit Blick auf das Achterwasser aufgebaut und in Betrieb genommen. Leider verhinderten der relativ starke Wind und die vergleichsweise niedrigen Temperaturen ein erfolgreiches Leuchten. Dennoch musste man nicht frierend stundelang um den Leuchtturm stehen, war doch die Wohnung von Michaela und Hans-Joachim direkt nebenan, sodass sich das Warten auf die Insekten bei einem kühlen Bier in der Küche als sehr angenehm gestaltete. Nach Ende des Abends machte der Verfasser auf dem Heimweg noch einen kurzen Stopp im bereits am Vortag erkundeten Waldstück bei Neuendorf, um einige Carabiden zu sammeln, bevor es dann endgültig nach Hause ging.

Mittwoch - 17.05.2023N
Für den Mittwoch hatte man sich – wie bereits am Vorabend besprochen – den Hundestrand bei Peenemünde vorgenommen. Zur Mittagszeit wurde der Verfasser vom Ehepaar Grunwald an seiner Unterkunft in Mölschow abgeholt und man fuhr gemeinsam zum Parkplatz an der L264 hinter Karlshagen. Bereits kurz nach Beginn der Exkursion entdeckte Hans-Joachim in den Dünen einen Broscus cephalotes unter liegender Kiefernrinde, welchen er freundlicherweise dem Verfasser überließ. Beim Durchkämmen der Dünengürtel wurden schon bald weitere typische Arten gefunden, wie etwa Philopedon plagiatum, Phylan gibbus und nach etwas längerer Suche schließlich auch der Negastrius arenicola. Neben zahlreichen Käfern konnte Hans-Joachim mit Marpissa nivoyi auch ein arachnologisches Highlight entdecken (Abb. 10). Die auffällige (aber damals noch unbekannte) Spinne wurde von allen ausgiebig bestaunt und fotografiert (die Fotos wurden später an das Ehepaar Kairat, Plettenberg, weitergeleitet, denen an dieser Stelle herzlich für die Bestimmung gedankt wird). 

Abb. 10 Marpissa nivoyi

Der Strandabschnitt wurde abgesucht, bis der aufgrund von Munitionsresten abgesperrte Strandbereich erreicht wurde. Vor diesem versuchte der Verfasser in einer Schlickgras-Insel noch einige Saldiden zu erbeuten, leider jedoch ohne Erfolg. Zufrieden, dass so viele charakteristische Dünenarten entdeckt wurden, machte man sich auf den Rückweg zum Auto, welches man nach kurzer Irrung – hatte man sich doch die korrekte Nummer des Strandabgangs nicht gemerkt – erreichte (Abb. 11 und 12).  

Abb. 11 Blick in Richtung des Hundestrands bei Peenemünde

Abb. 12 Auf Käfersuche am Peenemünder Hundestrand

 

Auf dem Rückweg verabredet man sich wieder zu einem geselligen Umtrunk in der Unterkunft von Hans-Joachim und Michaela.
Gegen Mitternacht machte sich der Verfasser schließlich noch einmal zum Hundestrand auf, um in den Dünen den seltenen Sandohrwurm (Labidura riparia) zu suchen, welcher an den bereits tagsüber besuchten Stellen jedoch auch nachts nicht aufzufinden war. Gegen halb zwei machte man sich daher wieder auf den Weg nach Hause.


 

 

Donnerstag – 18.05.2023
Für den Donnerstag war zunächst der Besuch eines Waldstücks bei Ückeritz am Wockninsee geplant. In bewährter Weise wurde der Verfasser vom Michaela und Hans-Joachim bei seiner Unterkunft abgeholt und man fuhr gemeinsam zum geplanten Ausgangspunkt der Exkursion. Vor Ort angekommen, musste jedoch zunächst der Bestand eines kleinen Bücherladens am Campingplatz ausgekundschaftet werden. Bei Michaela und Hans-Joachim wurden schon bald fündig und nachdem die neuen literarischen Errungenschaften im Auto verstaut waren, widmete man sich dem entomologischen Teil der Exkursion. In dem schönen, naturbelassenen Waldstück wurde reichlich gesiebt und geklopft. Aus Baumpilzen wurde so mancher Diaperis boleti und von Michaela auch ein Mycetophagidae gesammelt (Abb. 13). Der Verfasser konnte sich beim Klopfen über einen Platycerus caraboides freuen, der – trotz seiner Häufigkeit – eine neue Art für die Usedom-Liste darstellte. Auch ein Feuchtgebiet mit Seggenbewuchs wurde untersucht, brachte jedoch eher ernüchternde Ausbeute. Bei der Suche an liegendem Totholz konnten einige der flink umherwuselnden Tachyta nana erbeutet werden und unter Rinde wurde Vincezellus ruficollis in Reihe gefangen. Leider konnte keiner der erhofften Eucnemiden gefunden werden. Auf dem Rückweg fand Hans-Joachim an liegendem Totholz noch einen interessanten Cerambyciden, den keiner der Anwesenden im Feld sicher ansprechen konnte.

 

Abb. 13 Die Fruchtkörper der Porlinge wurden von zahlreichen Diaperis boleti bewohnt.

 

Als nächste Station waren noch einige Wassergräben zwischen Ückeritz und Koserow als Ziel auserkoren, in welchen in früheren Jahren bereits der Hydrophilus piceus gefunden wurde. Leider konnte in diesem Jahr trotz intensiven Abkescherns der Unterwasservegetation kein Exemplar gefangen werden. Dennoch kamen einige Notonectiden zusammen und Hans-Joachim Grunwald hatte wie überall sonst auch eine Vielzahl von Rüßlern erbeutet, die – wie alle weiteren Curculioniden -  nach Determination durch Dr. Christoph Germann (Basel) als Grundlage für die geplante Publikation zur Rüsselkäferfauna der Insel Usedom von Germann/Grunwald dienen werden. Während des Sammelns in den Gräben, konnte von allen Exkursionsteilnehmenden auch ein adulter Seeadler (Haliaetus albicilla) tief am Himmel kreisend bestaunt werden.

Da eine windstille und verhältnismäßig milde Nacht vorhergesagt war, traf man sich des Abends ein weiteres Mal in Lütow zum Leuchten. Bei Anbruch der Dunkelheit wurde die Anlage im NSG Gnitz aufgebaut, doch leider zeigte sich auch in dieser Nacht trotz ausdauernder Warterei kein einziger Käfer am Leuchtturm. Dennoch konnte man sich an einigen großen Köcherfliegen wie auch ein paar Nachtfaltern erfreuen (Abb. 14). Trotz geringem Fangerfolg verging der Leuchtabend bei anregenden Gesprächen wie im Flug.

 

Abb. 14 Nächtlicher Besuch am Leuchtturm – Flammenflügel-Graseule (Seta flammea)

Freitag – 19.05.2023
Die Exkursion am Freitag begann mit einer Fahrt an den Strand bei Kamminke (Abb. 15) . Im Spülsaum wurde zunächst nach Staphyliniden und Carabiden gesucht. Die an den Strand angrenzende Vegetation barg eine ungeheure Menge von Magdalisen, welche für die bevorstehende Rüßlerarbeit natürlich fleißig gesammelt wurden. Einige Cicindela hybrida konnten wegen des warmen, sonnigen Wetters am Strand beobachtet werden. Der Fang der Tiere erwies sich trotz Kescher als schwierig.

 

Abb. 15 Strand bei Kamminke

Im Anschluss fuhr die Exkursionsgruppe weiter zum Naturschutzgebiet Golm (Abb. 16). Der Golm wurde von Michaela und dem Verfasser erklommen, während Hans-Joachim im unteren Teil des Gebiets blieb, um weiter intensiv nach Rüßlern zu suchen. Während des Aufstiegs auf die geringe Erhebung konnte der Verfasser von liegendem Totholz einen Acalles klopfen. Die im oberen Teil des Gebiets wachsenden Maiglöckchen bargen eine größere Zahl von Lilioceris merdigera, welche sich jedoch als schwierig zu fangen erwiesen, da sie sich an der Blattunterseite sitzend bei Annäherung sofort in die Spreuschicht des Waldbodens fallen ließen. Unter Rinde wurden zahlreiche Salpingiden entdeckt. Aus einem hohlen Totholzstamm wurde außerdem Substrat entommen, aus dem später mittels Berlese-Apparatur einige Staphyliniden und Pselaphiden getrieben wurden. Man traf sich nach einer guten Stunde wieder am Auto und tauschte sich sogleich über die Funde aus.

 

 

Abb. 16 Der Wald im NSG Golm ist reich an Totholz.

Auf dem Rückweg zur Unterkunft hoffte die Exkursiongruppe noch, am Wolgastsee auf die Ranatra linearis zu treffen, was jedoch aufgrund der kurz zuvor erfolgten Räumung des Ufergebiets leider nicht gelang. Abends wurden die Fanggläser wie auch an den Tagen zuvor nach Wanzen durchsucht, die separiert werden sollten, da sich Dr. Christian Rieger, Nürtingen, bereit erklärt hat, die Wanzenausbeute zu bestimmen und eine Gesamtartenliste der Wanzen Usedoms zu publizieren.

Samstag - 20.05.2023
Für den vorletzten Exkursionstag hatte man sich das Gebiet rund um Bossin ausgesucht. Auf dem Weg zum Haff wurde wieder fleißig die wegnahe Vegetation abgeklopft. Am Wasser angekommen, machte sich der Autor auf den Weg in den Schilfgürtel (Abb. 17), während der Rest der Exkursionsgruppe auf der Suche nach weiteren Rüßlern die umliegenden Gebüsche absuchte. Dabei gelang der Fund des nicht häufigen Elateriden Calambus bipustulatus. Im trocken gelegenen Teil des Schilfgürtels waren neben einigen Dytisciden zahlreiche Stenus- und Elaphrus-Exemplare zu finden. Die landseitige Suche nach Rüßlern förderte neben Käfern auch eine Erdkröte (Bufo bufo) zutage, welche nach kurzem Bestaunen wieder in die Freiheit entlassen wurde. Auf dem weiteren Weg auf dem Deich konnte man sich über den Fund eines Badister wie auch eines bereits verendeten Trogiden freuen. An verschwiegener Stelle wurde in bewährter Weise nach dem Bembidion transparens gesucht, was auch zum Fund einiger Agonum führte. Vor der Rückkehr zum Auto versuchte sich der Verfasser noch mit dem Wasserkescher am Fang einiger Gerriden, um auch der Fortführung der Wanzenliste die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Abb. 17 Der Autor auf der Jagd nach Wasserwanzen.

Auf dem Rückweg wurde noch der Halbinsel Cosim ein Besuch abgestattet. Der Wanderweg zur Halbinsel führte wieder einmal durch üppige Vegetation, welche fleißig abgeklopft wurde. Währenddessen sinnierte man gemeinsam über die vermutlich üppige Käferfauna in den Kronen der umgebenden stattlichen Rotbuchen. Die Halbinsel selbst stellte sich nach Ankunft als eher enttäuschend heraus, da sie überwiegend eintönig von Schilf bewachsen nur wenig Abwechslung für verschiedenen Käferarten bot. Allerdings gelang hier beim Abstreifen von Artemisia der Fang der Wanzenart Tingis crispata in Serie. Dieser Fund stellt den Erstnachweis für Mecklenburg-Vorpommern dar, den Dr. Christian Rieger in der Zeitschrift Heteropteron (Rieger 2023) veröffentlicht hat.

Sonntag - 21.5.2023
Der letzte Exkursionstag führte nach Pudagla. Dort wurde im Wald des Westufers vom Schmollensee gesammelt. Bereits nach kurzer Suche konnten sowohl der Verfasser als auch Hans-Joachim je ein Exemplar des attraktiven Elateriden Selatosomus cruciatus entdecken. Aus abgestorbenen Ästen einer Birke konnten durch Klopfen einige Latridiiden und ein Pselaphide gewonnen werden. Auf dem Weg vor dem Wald freute man sich über den Fund eines Crypticus quisquilius. Im Schlamm einer Wildschweinsuhle konnten einige Staphyliniden sowie Notiophilus und Elaphrus-Exemplare entdeckt werden. Hans-Joachim hatte das große Glück je ein Exemplar von Sospita vigintiguttata und Attelabus nitens zu fangen. Auch hier wurde den Rüßlern wieder besondere Aufmerksamkeit geschenkt, sodass zahlreiche Arten wie Otiorhynchus raucus, Sitona humeralis, Phyllobius viridicollis, Phyllobius oblongus und viele Weitere auf der Exkursionsliste landeten. Die genaue Art- und Individuenzahl wird die weitere Bearbeitung der Proben zeigen. Nachdem am Straßenrand der nach Pudagla führenden B111 noch einige Hypera postica von Luzerne gekehrt wurden, machte man sich auf den Rückweg zur Unterkunft (Abb. 18). Da der Verfasser noch in derselben Nacht zurück nach Bonn fahren wollte, verabredete man sich für den Abend zu einer frühen letzten Zusammenkunft bei Hans-Joachim und Michaela. Man ließ bei alkoholfreiem Bier die vergangenen Exkursionen Revue passieren, wobei sich alle einig waren, dass man auch im kommenden Jahr wieder eine solche Usedom-Exkursion durchführen müsse.

Abb. 18 Auf der ungemähten Luzerne konnte Hypera postica in großer Zahl gefunden werden.

Literatur
Rieger C. Tingis crispata (HERRICH-SCHAEFFER, 1838), eine für Mecklenburg–Vorpommern neue Wanzenart (Insecta, Heteroptera). In: Heteropteron Heft 70 (2023).

 



Autor
Johannes Sander
entomologie@johannes-sander.de
Bonn